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Austausch andersherum

Felister
Datum:
Veröffentlicht: 21.6.16
Von:
Ann Kathrin Thönnes

Felister macht einen Weltfreiwilligendienst in Bamberg

„Wenn jemand zehn Minuten zu spät kommt, werde ich schon richtig ungeduldig“, sagt Felister und lacht. Sie muss schmunzeln, wenn sie darüber spricht, dass sie schon ein bisschen deutsch geworden ist – und die Pünktlichkeit gehört für sie zum Deutschsein unbedingt dazu. Die 24-Jährige kommt aus Tansania und lebt seit fast einem Jahr in Bamberg. Sie ist eine von fünf jungen Frauen und Männern aus Afrika, die seit September einen Weltfreiwilligendienst mit dem BDKJ im Erzbistum Bamberg machen.

Stolz zeigt Felister ihren Arbeitsplatz: den Jugendkulturtreff ImmerHin in Bamberg. Sie hat sich gut eingelebt hier. Sie ist begeistert von der Freundlichkeit, mit der sie ihre Kolleginnen und Kollegen aufgenommen und ihr alles gezeigt haben. Ihre Aufgaben sind breit gefächert – wie die der deutschen Freiwilligen auch: Sie erstellt Arbeitspläne, macht das Café sauber, arbeitet in der Küche und im Service oder trägt Flyer für Veranstaltungen aus. Felister und die vier anderen Freiwilligen aus Tansania und aus dem Senegal arbeiten in Deutschland als Bundesfreiwillige. Zu ihren Einsatzstellen gehören neben dem ImmerHin in Bamberg das Jugendhaus Burg Feuerstein, das Mutterhaus der Franziskusschwestern in Vierzehnheiligen und das Waldkrankenhaus in Erlangen. Gefördert wird das Programm durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Wie die deutschen Bundesfreiwilligen nehmen auch die tansanischen und senegalesischen an fünf begleitenden Seminaren teil, die jeweils eine Woche dauern. Für Felister eine willkommene Abwechslung zum Arbeitsalltag im ImmerHin: „Ich lerne bei den Seminaren viel, die Leute sind super und wir haben immer sehr viel Spaß.“

Überhaupt hat sich Felister inzwischen gut in Deutschland eingelebt. Das ImmerHin ist für sie eine Art zweites Zuhause geworden. Genauso wie ihre Gastfamilie, mit der sie sich sehr gut versteht. An vieles, was für sie am Anfang völlig neu war, hat sie sich inzwischen gewöhnt. Vor allem die Verständigung auf Deutsch klappt inzwischen fast reibungslos, und wenn doch mal ein Wort fehlt, hilft der Online Translator weiter. Felister mag vieles in ihrem Gastland –die Ordnung etwa und die Sauberkeit, aber auch, dass junge Menschen hier viel bessere Chancen auf einen guten Job haben als in Tansania. Bevor sie nach Bamberg kam, war ihr Deutschlandbild stark vom Geschichtsunterricht geprägt: Deutschland und der Nationalsozialismus waren für sie untrennbar verbunden. Ihre größte Befürchtung war es, Diskriminierungen und Anfeindungen zu erleben. Nichts davon hat sich bewahrheitet – im Gegenteil: „Die Menschen sind sehr freundlich zu mir“, sagt Felister. Und selbst dem deutschen Essen – am Anfang für sie eine der größten Herausforderungen – kann sie inzwischen einiges abgewinnen.

Trotz der vielen positiven Erfahrungen gibt es jedoch auch immer wieder Momente, in denen Felister nachdenklich wird und sich Heimweh einschleicht. Manchmal vermisst sie ihre Familie und ihre Freunde. E s gibt einiges in ihrem Gastland, woran sie sich nur schwer gewöhnen kann: „In Tansania haben wir viel engere Beziehungen zu unserer Familie und zu den Nachbarn“, sagt sie und fügt hinzu, dass viele Menschen in Deutschland im Gegensatz dazu ihr eigenes Ding machen. „Ich glaube, dass liegt daran, dass hier jeder alles haben kann, was er will. In Tansania sind wir vielmehr aufeinander angewiesen.“ Unterschiede kennenlernen, andere Lebensformen, eine neue Kultur: Genau das waren die Gründe, warum sie sich für den Weltfreiwilligendienst beworben hat. Und um sich für andere einsetzen und sie mit ihrer Arbeit unterstützen zu können. Soziales Engagement ist für Felister eine Herzensangelegenheit. Nach ihrem Freiwilligenjahr möchte sie in Tansania Gesundheitsmanagement studieren. Bis dahin warten jedoch noch ein paar Wochen auf sie. Zeit, die Felister nutzen will. Um noch besser Deutsch zu lernen, etwa. Und sie hat einen weiteren großen Wunsch: „Ich würde gerne noch Berlin kennenlernen, bevor ich wieder zurückfliege.“