Ein NEST für Kinder in Südindien

Zwei Wochen zwischen Heiligen Kühen, Hochtechnologie und Hüttendörfern

Bamberg/Ooty. „Ich habe unseren Luxus hier in Deutschland zu schätzen gelernt. Sauberes, warmes Wasser wann immer man es braucht, das eigene Bett – ich weiß eigentlich erst jetzt, wie gut wir es hier haben“, sagt Lea Eckert. Die 15-Jährige war mit einer Gruppe Jugendlicher aus dem Erzbistum Bamberg für zwei Wochen in Indien. Die Jugendfahrt in seine indische Heimatdiözese Ooty hatte Kaplan Joseph Michael zusammen mit dem BDKJ-Diözesanverband und dem Jugendamt der Erzdiözese Bamberg organisiert. Die Jugendlichen lernten ein Land kennen, das sie mit unglaublicher Gastfreundschaft aufnahm, ein Land auf dem Weg zur Hochtechnologie, eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, aber vor allem ein Land der sozialen Gegensätze.
Rund 1,1 Milliarden Menschen leben in Indien, etwa 400 Millionen von ihnen unterhalb der Armutsgrenze. Ein Schlüssel zur Überwindung der Armut ist Bildung. Bildung, die sich viele Familien für ihre Kinder nicht leisten können. Das „NEST“-Projekt von Kaplan Joseph Michael, dem Sachausschuss Eine Welt der Bamberger Pfarrei St. Martin und des Stegauracher Vereins „Zukunft für Menschen in Südindien“ will den ärmsten Kindern des Kandal-Slums in Ooty eine gute Schulbildung und damit eine bessere Zukunft ermöglichen. In der Diözese Ooty unterhalten die Franziskanerinnen aus Vierzehnheiligen zwei Klöster; immer wieder werden im Rahmen des Weltfreiwilligendienstes „weltwärts“ Jugendliche aus der Erzdiözese Bamberg vom BDKJ für ein freiwilliges Auslandsjahr hierher entsendet. So war es nur konsequent, dass die Jugendlichen, gefördert aus Bundesmitteln, vom Bezirksjugendring Oberfranken und dem Erzbistum Bamberg, zusammen mit Kaplan Joseph und Diözesanjugendpfarrer Detlef Pötzl nach Ooty fuhren, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Sie lernten eine Gesellschaft kennen, die von der Vielfalt der Religionen geprägt ist. Hindus, Moslems, Christen und Sikhs leben hier zusammen. Fundamentalisten versuchen immer wieder, Konflikte zu schüren. Die Jugendlichen erlebten jedoch vor allem Menschen, denen Gastfreundschaft, Familie und Gemeinschaft wichtiger sind, als religiöse Unterschiede. Sie erfuhren auch viel über das indische Kastensystem. Es basiert im Wesentlichen auf drei Säulen: der Trennung gesellschaftlicher Gruppen, der Arbeitsteilung und einer starken Hierarchie. Damit verbunden sind allzu oft Ausgrenzung und Diskriminierung. Und auch wenn in der indischen Verfassung die Abschaffung der Kasten festgeschrieben ist, ist im Alltag davon wenig zu spüren. Oft zementiert es die sozialen Unterschiede – und die, so Detlef Pötzl, seien in Indien extrem.
„Der Kandal-Slum ist ein echter sozialer Brennpunkt“, fasst Pötzl seine Beobachtungen zusammen. Hier fehlen die einfachsten Grundlagen wie Trinkwasser, Elektrizität, Gehsteige und ein leistungsfähiges Gesundheitssystem. Alkoholismus und Gewalt sind in vielen Familien an der Tagesordnung. Die Häuser sind baufällig, einfache Hütten aus Stahl, Blech oder Holz. 90 Prozent der Einwohner sind Müllmänner und Schuhputzer oder Tagelöhner. Ihr Geld reicht kaum, um die eigene Familie zu ernähren, geschweige denn, ihren Kindern das Schulgeld zu bezahlen und ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen. „Die Hütten waren klein und dunkel, teilweise schliefen ihre Bewohner zu dritt oder viert in einem Bett“, erzählt Lea Eckert. „Die Menschen leben zusammen mit ihren Tieren, Hühnern und Ziegen“, ergänzt die 18-jährige Laura Bomhard. „Die Hütten sind offen, es ist kalt und nass, alles ist dreckig, es riecht nach Kot und Ziegenmist – so könnte ich nicht leben.“ Im Slum gibt es keine Kanalisation, nur Abflussrinnen an den Straßenrändern. Die fehlende Hygiene macht viele Menschen krank. Der Staat ist mit der sozialen Situation überfordert, Korruption ein großes Problem. Doch wenn die Menschen eine Chance bekämen, könnten sie aus der Armut der Slums relativ schnell ausbrechen. „Es scheint so zu sein, dass man einfach Glück braucht“, meint Diözesanjugendpfarrer Pötzl.
Da, wo der Staat nicht hilft, springt die Kirche ein. So unterhält die Pfarrei St. Theresa in Ooty unter anderem eine Grundschule. „Die Kinder haben uns gesagt, dass sie total gerne in die Schule gehen“, berichtet Laura Bomhard. Sie könnten lernen, Freunde treffen, bekämen eine warme Mahlzeit und säßen im Trockenen – mit 50 anderen Kindern pro Klasse, ohne Tische und Bänke, von den anderen Klassen lediglich durch Faltwände und Tafeln getrennt. Doch auch diese Schule kostet Geld. „Wenn man tatsächlich vor Ort sieht, wo die Probleme liegen und wie viel Potenzial die Kinder haben, will man helfen“, sagt Pötzl. Das NEST-Projekt hilft mit Kinderpatenschaften, dem Aufbau eines Ausbildungsfonds und direkten Spenden an die Grundschule St. Theresa.
Auch die Jugendlichen aus dem Erzbistum wollen helfen. „Man kann zum Beispiel selber Spendenaktionen starten“, meint Lea Eckert. So haben die Jugendlichen in Indien Schals eingekauft, die sie in Deutschland für das NEST-Projekt weiter verkaufen wollen. „Und wir können erzählen, was wir in Indien gesehen und erlebt haben.“
Info: Weitere Informationen zum NEST-Projekt und Eindrücke von der Indienfahrt im Internet unter: www.nest.kirche-bamberg.de; www.bdkj-bamberg.de und auf der Facebook-Seite des BDKJ-Diözesanverbands Bamberg.

