Eine Insel aus Muscheln

Wo Küstenbewohner neues Land entstehen ließen
Thiès. Heute war das Frühstück sehr spärlich. Es war für 7 Uhr vereinbart. Um 7.30 Uhr sollte bereits die Abfahrt sein. Okay, der Bus war diesmal pünktlich, die Senegalesen auch, doch das Baguette wurde von der Haushälterin nicht innerhalb der gewünschten Zeit gebracht. Es gab zum Frühstück nur ein warmes Getränk (Kaffee, Tee, Kakao. Fast pünktlich ging es los. Unterwegs deckten wir uns in einer Boulangerie mit ausreichend Baguette ein. Gleich machten einige Stangen die Runde im Bus, um noch eine Grundlage in den Magen zu bekommen. Der Rest war für das Mittagessen bestimmt.
Die Fahrt führte uns nach Fadiout einer kleinen, besonderen Inselgruppe. Es sind die Muschelinseln. Seit etwa 1500 Jahren sammeln, essen und verarbeiten die Küstenbewohner die im Überfluss vorkommenden Muscheln. Im Laufe der Zeit wurden mit den Schalen bis zu zehn Meter hohe Muschelberge aufgetürmt. Es entstanden dabei drei Inseln mit mehreren Hektar Fläche. Eine dieser Inseln wurde schließlich besiedelt, die zweite dient als Friedhofsinsel und die dritte wurde zur Lagerung der Vorräte genutzt. Zur bewohnten Insel führt ein fast 500 Meter langer Steg, den allerdings, außer Krankenwagen, keine Autos passieren dürfen. Die Waren werden mit Handkarren auf die Insel gebracht, wo man sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Mofa fortbewegt. Ein Rundgang über die Insel führte uns vorbei an einer Vielzahl von Verkaufsständen hin zur Kirche St. Francois Xavier, deren übergroß auf den Turm gemaltes, bereits vom Festland zu sehendes Herz eigentlich eine Herz-Jesu-Kirche erwarten ließ. Es ist eine Betonkirche mit einem Blechdach, wie in dieser Art viele im Senegal zu finden sind. Die Mehrheit der Inselbevölkerung ist katholisch, eine Minderheit gehört zum Islam, wovon drei Moscheen zeugen. Fadiout, wie das Dorf auf der Insel heißt, ist in verschiedene Viertel aufgeteilt, von denen jedes einen überdachten Versammlungsplatz aufweist. Dort treffen sich die alten Männer des Dorfes und diskutieren oder spielen, um sich die Zeit zu vertreiben. Die meisten von ihnen sind nun im Ruhestand und waren vorher in den größeren Städten, um dort zu arbeiten. Heute arbeiten sie nur noch in der Regenzeit, wenn die Landwirtschaft intensiver betrieben werden kann.
Auch heute noch wird die Insel durch Landgewinnung vergrößert. Dazu wird eine Mauer gesetzt, welche mit Bruchsteinen, Müll und Muschelschalen gefüllt werden. Doch das geht sehr langsam und dauert Jahre bis wieder einige Quadratmeter mehr Inselfläche zur Verfügung stehen. Durch die engen, verwinkelten und malerischen Gassen geht es zu einer zweiten Brücke. Diese führt auf die Friedhofsinsel, die fast gänzlich aus Gräbern besteht. Bemerkenswert an diesem Friedhof ist, dass sowohl Muslime als auch Katholiken dort ihre letzte Ruhestätte finden. Es gibt zwar für jede Religion einen eigenen Bereich, doch werden beide nur durch eine imaginäre Linie abgegrenzt. An den Nachnamen lassen sich die Religionen nicht erkennen, lediglich an den Vornamen und an den Grabzeichen. Die katholischen Gräber überragt ein Kreuz und bei den muslimischen sind Blechtafeln mit den Daten der Bestatteten angebracht. Für den Kenner zeigt sich der Unterschied auch in der Ausrichtung der Gräber. Während die katholischen Gräber ohne auf die Richtung zu achten auf dem Hügel eingebettet sind, weisen die islamischen Gräber alle in Richtung Mekka, wohin das Gesicht des Bestatteten zeigt.
Unterhalb des Friedhofes befindet sich eine Anlegestelle für Pirogen (kleine Holzboote). Mehrere davon führen uns mit einer Stange angetrieben über das flache Wasser zur Vorratsinsel. Auf der Vorratsinsel befinden sich kleine, geflochtene Vorratshäuser von einem Meter Durchmesser, die mit einem Strohdach abgedeckt sind. Sie befinden sich auf Stelzen, die den Boden etwa einen Meter überragen, um so vor der Flut sicher zu sein. Neben den Vorrathäusern befinden sich auch Verkaufsstände für die üblichen Touristenartikel.
Unsere Fahrt führte uns weiter in die Gegend von M´Bour. Dort zeigte uns Abbé Pierre eine kleine Ferienanlage. Der Weg dorthin durch das Dorf war gesäumt von Kindern, die uns ein Lächeln schenkten und uns „Toubab“ (Weiße) entgegen riefen. Die Anlage soll aus etwa zehn Doppelzimmern bestehen, von denen sich die meisten noch im Rohbauzustand befinden. Die Anlage öffnet sich halbkreisförmig zum Strand hin. In der Mitte befand sich ein Pavillon, in dem wir unser Mittagspicknik einnahmen: Baguette mit Salami. Einige von uns waren vom Strandbesuch am Samstag klüger geworden und suchten sich schöne Schattenplätze aus. Die Sonne hatte in den letzten Tagen diverse Körperstellen krebsrot werden lassen. Manche mieden die Sonne auch gänzlich.