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Hauptschule ist nicht gleich Restschule

Skandal in München
Datum:
Veröffentlicht: 28.11.10
Von:
Corinna Reiner/Volker Poerschke

Hauptschüler fordern auf dem CAJ-Schülergipfel mehr Engagement von Politikern

Keine Perspektive für Versager von der Restschule - ist das alles, was diese Gesellschaft Schülerinnen und Schülern von Haupt- und Mittelschulen zu bieten hat? Wie sehen sich Haupt- und Mittelschüler selber? Wie werden sie von der Gesellschaft wahrgenommen und was machen eigentlich die Politiker, um den Ruf der Hauptschulen zu verbessern? All das sollte der diesjährige Schülergipfel der CAJ in München beantworten. Auch aus dem Erzbistum Bamberg waren Schülerinnen und Schüler dabei.
Schüler im Gespräch

München. „Ich bin hier, um mich für ein besseres Image der Hauptschulen einzusetzen“, erklärt eine Teilnehmerin des Schülergipfels der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) in München. Rund 30 Haupt- und Mittelschüler aus ganz Bayern, darunter auch vier aus der Erzdiözese Bamberg, waren vom 17. bis 21. November zusammen gekommen, um mit Bildungspolitikern über die Zukunft der Hauptschule zu diskutieren und auf ihre Sorgen und Ängste aufmerksam zu machen.

Im Gepäck hatten die Schüler Präsentationen über ihre eigenen Haupt- und Mittelschulen, die sie mit Unterstützung der CAJ erstellt hatten. Beim Vergleich der verschiedenen Schulen kamen gravierende Unterschiede zu Tage.

Hauptschule ist nicht gleich Hauptschule

Während einige Schulen über eine gute technische Ausstattung verfügen, ist bei anderen nicht einmal die Grundversorgung mit Essen durch einen Pausenverkauf gewährleistet. Extreme Unterschiede wurden auch bei Inhalten und Pädagogik deutlich: Von Schulen mit Ganztagsklassen, Praxisklassen, Streitschlichtern und Sozialpädagogen bis hin zu Einrichtungen, bei denen seit Jahrzehnten ausschließlich Frontalunterricht geleistet wird, war alles vertreten.

Es gibt nicht den typischen Hauptschüler

Während ihres Austauschs kamen die Schülerinnen und Schüler zu der Erkenntnis, dass es „den“ typischen Hauptschüler nicht gibt und machten sich deswegen daran, ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu untersuchen. Sie befragten Passanten in München nach dem Ruf ihrer Schulart. Die Antworten waren gemischt, von wertschätzend bis abfällig. Allgemein scheint das Image der Hauptschule in der Öffentlichkeit eher schlecht zu sein. Besonders verletzend fanden die Jugendlichen Aussagen wie „Hauptschüler sind dumm, faul und wenig interessiert“.

Hauptschüler gehen politisch in die Offensive

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen erarbeiteten die Jugendlichen Fragen und Forderungen an die bildungspolitischen Sprecher der Landtagsparteien bzw. ihre Vertreter. Georg Eisenreich (CSU), Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD), Günther Felbinger (Freie Wähler), Thomas Gehring (Bündnis 90/ Grüne) und Julika Sandt (FDP) mussten sich etwa der Frage stellen, was eigentlich das neue an der neuen Mittelschule im Gegensatz zur „alten“ Hauptschule sei. Das Meiste habe es doch bereits gegeben. Es stellte sich heraus, dass selbst die Politiker die Unterschiede nicht genau benennen können. Die Mittelschule solle letztlich das, was bisher an der Hauptschule gut gewesen sei, flächendeckend ermöglichen. Auch auf die Frage, wie man die Meinung über Hauptschüler verbessern könne, hatten die bildungspolitischen Sprecher keine Antwort parat. Kritik richte sich jedoch nicht gegen die Schüler, sondern stets gegen die Schulform, betonten die Politiker. Das Gerede vom „dummen Hauptschüler“ sei absoluter Schmarrn. Hauptschüler seien durchaus qualifiziert, das gelte es zu betonen.

Skandal: „Brauchen Friseurinnen jetzt schon Abitur?“

„Skandal!“ – titelten die Schüler dann am Samstagabend und verteilten an die 1000 Protestflyer und Plakate in der Münchner Innenstadt. Dabei formulierten sie verschiedene Slogans, in denen sie ihren Protest über das Image ihrer Schule zum Ausdruck brachten. „Ausländer müssen als Sündenböcke für den schlechten Ruf der Hauptschule herhalten“ – „Brauchen Friseurinnen jetzt schon Abitur?“ – „Ihr denkt Hauptschüler sind Restschüler“ war einige der provokativ formulierten Aussagen, die so mancher Münchner kurz vor Ladenschluss in die Hand gedrückt bekam. Leider bekamen die Jugendlichen dabei auch menschenunwürdige und verletzende Aussagen wie „Ihr Hauptschüler seid die Dümmsten, ihr gehört in die Gosse und in den Dreck“ anhören, wobei jedoch eindeutig die positiven Rückmeldungen der Passanten überwogen.

Gefördert wurde der Schülergipfel vom Bayerischen Jugendring (Schulbezogene Jugendarbeit), der Doris Wuppermann-Stiftung und der CAJ Bayern.

Die CAJ Bayern besteht aus den sieben Diözesanverbänden in Bayern. Sie unterstützt Hauptschüler und Arbeiterjugendliche, ihre Kreativität und ihre Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten. Sie ermutigt sie, ausgehend von ihrer eigenen Lebenssituation für ihre Interessen einzutreten und durch gemeinsame Aktionen etwas zu verändern: in der Schule, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, in Kirche und Gesellschaft.

Mehr Infos erhalten Sie bei Corinna Reiner (CAJ Landessekretärin), www.-caj-bayern.de, Tel.: 0174 / 9 61 48 39 oder per Mail: corinna.caj@googlemail.com