„Im Spiegel der anderen sehen wir uns“
Prof. Dr. Rainer Bucher beim Feuersteinforum über die Zukunft der Jugendpastoral in einer veränderten Gesellschaft
Burg Feuerstein. Vielen, die in Kirche aktiv sind, sie gestalten und vorantreiben wollen, ist längst klar: Jugend zu bewegen ist kein einfaches Unterfangen in heutiger Zeit und Gesellschaft. Dies gilt in verstärkter Form noch für die kirchliche Jugendarbeit. Der Pastoraltheologe und Pastoralpsychologe Prof. Dr. Rainer Bucher, der sich seit Jahren intensiv mit diesem Themenfeld in seinen wissenschaftlichen Forschungen beschäftigt, machte genau dieses Phänomen im Rahmen des dritten Feuersteinforums im November zum Thema. Der Abend im Jugendhaus Burg Feuerstein stand unter dem Titel „Die Lage der katholischen Kirche in der postmodernen Gesellschaft und deren Konsequenzen für die Jugendpastoral“. Bucher beleuchtete dabei zunächst zweierlei: Den kirchlichen Entwicklungsprozess und die veränderte Gesellschaft, um im Anschluss Forderungen und Aufgabenfelder zu formulieren, denen sich die Kirche stellen und ihnen gerecht werden muss.
Die innerkirchlichen Wandlungsprozesse, die durch das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen wurden, hätten im Laufe des 20. Jahrhunderts schon zu großen Paradigmenwechseln im Selbstverständnis der Kirche geführt. Aus der „Institutionsfestung“, der „katholischen Burg“, die sich abschottet, sei eine Gemeinschaft von Gläubigen geworden, die sich erst im Dienst am Menschen der Moderne beweisen muss, so Bucher. Gerade Papst Franziskus habe in seinen Zeichen und Worten immer wieder deutlich hervorgehoben, dass Jesu Botschaft vor die Herausforderung stellt, dieses Draußen in den Mittelpunkt des kirchlichen Handelns zu rücken. Die Umkehr von einer stark nach innen gerichteten zu einer in die äußeren Räume gehenden Kirche sei vor allem vor dem Hintergrund der starken Veränderungen der Gesellschaft unumgänglich geworden. Denn die Souveränität und „Macht“ der kirchlichen Autoritäten aus Zeiten der Vormoderne und Moderne nehme in der postmodernen Zeit, in der wir uns befinden, immer stärker ab. Wenn die Kirche nicht erkenne, dass der mündige Gläubige als Träger des allgemeinen Priestertums seinen eigenen Sendungsauftrag hat, so auch handeln soll und behandelt werden muss, würde in Zukunft noch viel stärker ein Abwanderungsprozess in Gang kommen, so Bucher.
Konsequenzen für eine mutige Jugendpastoral
Buchers Forderungen versuchen genau diese Erkenntnisse konstruktiv in Überlegungen zu einer neuen Jugendpastoral einzubeziehen. In seiner Betrachtung der Jugend heute sind es zwei Phänomene, die für diese Altersstufe typisch seien und für ein pastorales Handeln richtungsweisend sein müssten: Jugendliche Bedürftigkeit und Intensität. In einer Lebenssituation im Raum zwischen Kindheit und Erwachsenenalter erzeugten die vielen selbst gelebten, intensiven Erfahrungen Unsicherheit und Spannungen. Als große „destruktive Macht“ benannte Bucher die zur Schau gestellten konsumistischen, kapitalistischen Lebensmodelle, die die Optimierung aller Lebensbereiche vergöttere und unerreichbare Forderungen der Effektivität an die Jugendlichen stelle. Von diesem Druck zu befreien, sozusagen „diese Macht zu entzaubern“, wie Bucher es ausdrückte, sei die Umsetzung der Botschaft Jesu Christi der uneingeschränkten Liebe und des Angenommenseins. Vor allem durch starke Orte und Personen und situative Intensität könne Jugendpastoral aus diesen prekären Lebenswelten befreien. Dabei sei jeder und jede Einzelne gefordert, den je eigenen Auftrag wahrzunehmen und im jeweiligen möglichen Umfeld gemäß diesen sozialen Verhältnissen zu handeln.
Der Vortrag von Prof. Dr. Bucher in der Unterkirche der Burg Feuerstein bildete den Auftakt für eine weitergehende Beschäftigung mit dem Thema innerhalb von Kleingruppen und einer Fragerunde im Plenum. Die intensive Diskussion zeigte das Ringen um den richtigen Umgang und die nötigen strukturellen Veränderungen innerhalb der Jugendpastoral und gleichzeitig die großen Probleme, die bei der Umsetzung zu Tage treten. Die Anregungen Buchers ließen interessante und umsetzungswürdige neue Perspektiven und Blickwinkel zu Tage treten. Gerade auf Burg Feuerstein seien solche an die Bedingungen der Zeit angepassten Jugendbewegungen schon seit ihren Anfängen fokussiert worden und könnten auch in Zukunft auf dem Weg zu einer mutigen Jugendpastoral starke Orte und Personen bieten und bilden, so Bucher.
Prof. Dr. Rainer Bucher, geboren 1956 in Nürnberg, aufgewachsen in Bayreuth, ist Professor und Leiter des Instituts für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz. Das Feuersteinforum ist eine regelmäßig stattfindende Vortrags- und Diskussionsreihe zu aktuellen theologischen und gesellschaftsrelevanten Fragestellungen, die nicht nur Wissen vermitteln möchte, sondern auch zum Austausch und Handeln einlädt.