Mehr als nur ein bisschen Stoff

Spendenaktion für Kinder aus Kolumbien und Rumänien
Bamberg/Lichtenfels. Es ist nur ein bisschen Stoff. Oder einige zusammengenähte Stücke Leder und Synthetik. Unglaublich mehr bedeutet es für viele Kinder und Jugendliche, ein Fußballtrikot anzuhaben und mit einem Ball kicken zu können: Kindheit, Unbekümmertheit, Gemeinschaft, Freude, Freiheit. Joel Hildebrand weiß das. Seine Augen strahlen, wenn er an die Begegnungen denkt, die ihm der Fußball und seine ungewöhnliche Hilfsaktion schenkten. Für Armenkinder in Kolumbien suchte der 26-Jährige vor zwei Jahren ausgediente Trikotsätze, Trikots, Hosen, Stutzen und Bälle. „Sieben Kubikmeter nur gute Sachen“ kamen auf den Aufruf in lokalen Medien zusammen – und landeten in Rumänien. Eine Geschichte von zweifelnder Ungewissheit, unbegreiflicher Armut, unbändiger Freude und tiefem Gottvertrauen.
Drei Wochen lang packt der Bamberger im Kinderhaus des Vereins „Pan de Vida“ („Brot des Lebens“) mitten im Armenviertel des Stadtteils Villasantana im kolumbianischen Pereira an. Dort, wo Angst die Luft schwängert, Gewalt, Kriminalität und Armut regieren. Aber auch die liebevolle Fürsorge der spendenfinanzierten christlichen Einrichtung lernt er kennen – und die völkerverbindende Kraft des Fußballs, mit der jeder der Sechs- bis 13-Jährigen angesteckt wird: „Wenn du Fußball spielen kannst, kannst du dich überall verständigen. Wir haben einfach gespielt.“ Mit seinem blütenweißen „DJK Gaustadt“-Trikot, seinen Fußballschuhen und dem Ball sticht Joel heraus: „Man kann den Kindern mit wenig Freude machen. Sie träumen davon, in einem Trikot zu spielen“, erzählt Joel und lacht: „Die würden’s sogar den ganzen Tag anziehen.“ Da reift eine Idee: „In vielen Vereinen sammeln sich Trikotsätze oder Bälle an, die nicht mehr benötigt werden. Was bei uns als alt gilt, ist in Kolumbien der Renner.“ Was zusammengekommen ist, kann Joel bis heute kaum glauben: Kistenweise stapeln sich die zum größten Teil neuwertigen Sportmaterialien.
Indes wird die Freude über die Hilfsbereitschaft der unzähligen Spender schnell getrübt: Trotz vorheriger Absprachen schiebt der Zoll nach Kolumbien den Riegel vor. Mehrfach kontaktiert Joel die kolumbianische Botschaft in Berlin. Nach sieben Monaten die endgültige Absage: Sie könnten nichts machen – gebrauchte Sachen dürften nicht ins Land. Immer noch steht Joel die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
„Ich wusste nicht mehr weiter. Aber ich habe gelernt, Gott zu vertrauen – auch in schweren Zeiten. Im Nachhinein bin ich dankbar, dass es so geklappt und Gott so wunderbar gewirkt hat.“ Vor einiger Zeit lernte Joel Robert Wolf kennen. Wolf leitet die „CIFO“, die „Christliche Initiative für Osteuropa“. Mehrmals jährlich fährt er nach Rumänien, pflegt Patenschaften und Kontakte zu Menschen, nimmt sich Zeit für viele Familien und hilft. Joel weiß: „Das geht sogar bis zu Werkzeug, Arbeitsmaterialien, Fliesen für den Boden, Rollstühlen oder Spielsachen – ganz Praktischem, das für uns selbstverständlich ist.“
An den LKW-Hilfstross schließt sich Joel mit seiner Frau Linda an. Was ihm gespendet wurde, möchte er persönlich übergeben. Aber was er in Osteuropa sieht, kann er kaum in Worte fassen: „Mir sind die Tränen gekommen, weil es vielen so schlecht geht. Viele sind bettelarm, wohnen in Bretterbuden, kämpfen sich durchs Leben und die kalten Winter. Ich habe Familientragödien erlebt, Alkoholproblematik, Krankheit, Tod, ein abgewirtschaftetes Land, niedrigste Löhne und teure Lebensmittel.“
Durch Dörfer fahren die Helfer, sprechen mit Verantwortlichen und verteilen die Güter an Arme. Die kennt Robert Wolf schon länger und kann gezielt helfen. „Ich habe oft einen Ball, ein Trikot und passende Fußballschuhe geschenkt“, sagt Joel. „Die Kinder haben sich riesig gefreut.“ Besonders die etwa 100 im Kinderheim in der Stadt Brosteni.
Bestärkt durch seinen Glauben ging Joel nach Kolumbien und Rumänien: „Ich möchte die gute Botschaft von Jesus Christus weitersagen und helfen. Gott steht mir immer zur Seite.“ So half er dann auch bei „Pan de Vida“: „Sechs Koffer haben Freunde von mir einzeln nach Kolumbien gebracht.“ Und Joel? Er möchte mal wieder eine solch ungewöhnliche Hilfsaktion zu starten. Denn oft sind ein Trikot und ein Ball mehr als ein bisschen Stoff oder ein paar zusammengenähte Stücke Leder und Synthetik.