Politikern auf den Zahn gefühlt

„Nachgefragt“ – Jugendpolitische Talkrunde zur Bundestagswahl

Bamberg - „Politische Arbeit im Interesse von Kindern und Jugendlichen gehört als ein fester Bestandteil zum Profil kirchlicher Jugendverbandsarbeit“, betonte BDKJ-Diözesanvorsitzender Björn Scharf am 21. Juli zu Beginn der jugendpolitischen Talkrunde zur diesjährigen Bundestagswahl. Unter dem Motto „Nachgefragt!“ hatten BDKJ und KjG in den Jugendkulturtreff „ImmerHin“ nach Bamberg eingeladen. Ziel war es Politiker aus den im Bundestag vertretenen Parteien mit den politischen Forderungen der katholischen Jugendverbände zu konfrontieren und jungen Wählern die Chance zu geben, direkt mit den Kandidaten ins Gespräch zu kommen. Eingebettet war die Veranstaltung in die bundesweite Wahlhelden-Kampagne des BDKJ.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Björn Scharf und Jo Möller, den Diözesanleiter der KjG, warf zunächst ein Filmclip der BDKJ-Bundeskampagen die Frage auf, ob es denn mittlerweile Superhelden braucht um Menschen zur Wahl zu bewegen. Doch von Politikverdrossenheit konnte keine Rede sein - über 50 junge Wahlheldinnen und –helden fühlten im Laufe des Abends hartnäckig den Politikern und ihren Wahlversprechen auf den Zahn und machten sich ihr eigenes Meinungsbild für ihre Wahlentscheidung am 27. September. Der diskussionsfreudigen Runde stellten sich: Alexander Hummel (CSU), Andreas Schwarz (SPD), Lisa Badum (Grüne), Sebastian Körber (FDP) und Heinrich Schwimmbeck (Die Linke). Für kindische Wahlkampf-Rhetorik der Politiker untereinander blieb keine Zeit, denn das Programm folgte einer straffen Regie, kompetent und humorig moderiert durch Florian Dumpert (BDKJ) und Ela Siedler (KjG). Zunächst formulierten die Jugendverbände ihre Forderungen. Mit Daumen nach oben oder nach unten konnten die Parteienvertreter zeigen, ob sie die Forderungen unterstützen oder nicht. Anschließend hatte jeder von ihnen eine Minute Zeit, die Entscheidung zu begründen, bevor sie sich unter das Wahlvolk mischen und sich den kritischen Fragen des Publikums im persönlichen Gespräch stellen mussten.
Für die Rechte von Kindern setzt sich besonders die KJG ein. Sie formulierte ihre Forderungen nach einer Änderung des Schulsystems für mehr Mitbestimmung der Schüler und gegen die frühzeitige Selektion nach der vierten Klasse. Im Interesse gerade der von diesen Änderungen betroffenen Kinder und Jugendlichen fordert die KJG zudem eine Senkung des Wahlalters und die vorbehaltslose Ratifizierung und Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Forderungen, die alle Politiker unterstützen. Einzig bei der Senkung des Wahlalters tut sich die CSU schwer. Alexander Hummel betonte: „Eine fundierte Wahlentscheidung erfordert eine eigene Auseinandersetzung mit der Politik.“ Diese wiederum würden aber eine gewisse Reife voraussetzen. Von daher sei er dagegen, das Wahlalter herabzusetzen. Das blieb nicht ohne Widerspruch. „Ran an die Politiker!“, forderte Björn Scharf das Publikum auf. Bereits hier zeigte sich, dass die jungen Wählerinnen und Wähler besonders die Vertreter von CSU und FDP zu klärenden Gesprächen belagerten. Dies lag daran, dass sie für das Publikum teilweise fragwürdige aber auch überraschende Positionen bezogen.
So auch zu den Forderungen des BDKJ. Der Dachverband der katholischen Jugend fordert einladende Konzepte zur Integration von Migranten, statt Zwang und soziale Ausgrenzung – Daumen hoch. Der Sonntag müsse als staatlich geschützter, arbeitsfreier Tag erhalten bleiben – Daumen hoch. Und es müsse ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger geben – von SPD, Grünen und der Linken gab’s einen klaren Daumen nach oben. Und FDP und CSU? Auch Sebastian Körber und Alexander Hummel stimmten zu. „Am Thema Grundeinkommen werden wir nach der Wahl in jedem Fall dran bleiben – da muss doch was gehen!“ kommentierte Björn Scharf das übereinstimmende Votum aller Kandidaten. Doch in den anschließenden Gesprächen musste zumindest Körber von der FDP einräumen, dass das von seiner Partei gewünschte „liberale Bürgergeld“ eigentlich kein bedingungsloses Grundeinkommen sei. Vielmehr eine Pauschale, in der bestehende Sozialleistungen zusammengeführt würden und die, wenn zusätzlich gearbeitet wird – wozu weiterhin jeder verpflichtet wäre – niedriger ausfalle. Hier zeigte sich: Alle anwesenden Politiker wollten zwar einen ehrlichen Wahlkampf, doch manchmal lohnt es sich, die Programme und Begriffe genau zu hinterfragen, bevor Missverständnisse entstehen.
Gleiches galt für die Forderungen, die die CAJ in ihrem „Bittgang zum Heiligen Prekarius“ formulierten: Ein Recht auf Ausbildung, besondere Förderung für Jugendliche ohne Schulabschluss und ein kostenfreies Bildungssystem ohne soziale Handycaps. Für CSU und FDP, die alle Forderungen voll und ganz unterstützten, scheint das Bildungssystem mit dem Schulabschluss aufzuhören. Denn während sich Andreas Schwarz von der SPD gegen Kosten für die Ausbildung von der Krippe bis zur Uni aussprach, hielt Hummel Studiengebühren für bezahlbar und gerechtfertigt. Schließlich müsse auch jeder Handwerker für seinen Meisterbrief bezahlen. Für Studiengebühren ist auch Körber, allerdings könnten diese auch erst nach Studienabschluss fällig werden. Sowohl die Grünen als auch die Linke lehnen die Bildungsgebühren ab. Zudem bekräftigte Heinrich Schwimmbeck, dass das dreigliedrige Schulsystem zugunsten der Gemeinschaftsschule abgeschafft gehöre. Wie der Vertreter der Linken forderte auch Lisa Badum von den Grünen die Einführung einer Abgabe für Betriebe, die nicht ausbilden.
Die größten Unterschiede zwischen den Parteien wurden bei den Forderungen der KLJB zur Umweltpolitik deutlich. Konnte noch alle gemeinsam die Forderung nach mehr Umweltbildung und Anreizen für ressourcenschonendes Verhalten unterstützen, konnten sich nur die Grünen und die Linke mit einem Tempolimit 120 auf deutschen Autobahnen anfreunden. Den Atomausstieg unterstützen CSU und FDP nicht, die Verbreitung der Gentechnik zu verhindern, sieht Körber von der FDP nicht als seine Aufgabe. Jede wissenschaftliche Forschung habe ihre Risiken, doch die Chancen der Genforschung, besonders im medizinischen Bereich, seien zu groß, als dass man sie einschränken müsste.
Zum Abschluss hatten nochmals alle Kandidaten die Gelegenheit, zu sagen, was ihre persönlichen Ziele für die Wahlen sind. Sebastian Körber (FDP) will Bürgerrechte zu seinem Thema machen, gegen den gläsernen Bürger und gegen Onlinedurchsuchungen. Alexander Hummel (CSU) will junge Ideen in die Partei einbringen. Nicht alle CSU‘ler hätten „Jugendthemen“ für sich entdeckt und er teile auch nicht jede Meinung seiner Fraktion. So ziehe er die Schulung von Medienkompetenz, einem Verbot von Computerspielen vor. Darüber hinaus wolle er sich für die Förderung neuer Technologien einsetzen. Andreas Schwarz (SPD) möchte besonders Kinderrechte und Bildung in den Mittelpunkt stellen. Man dürfe nicht immer nach den Kosten fragen, sondern „Was ist uns das wert?“ „Was sind uns unsere Kinder wert?“. Den Einstieg in neue, regenerative Energien wolle er vorantreiben. Heinrich Schwimmbeck (Die Linke) will die Armut in Deutschland bekämpfen, indem Reiche mehr abgeben müssen. Er plädiert für die Einführung der Reichen- und Erbschaftssteuer. In der Diskussion um das Gesundheitssystem müsse es künftig mehr um die Anliegen der Patienten gehen. Lisa Badum (Die Grünen) wünscht sich eine Balance zwischen Rechtsstaat und Demokratie, ist gegen Vorratsdatenspeicherung und „Onlineschnüffeleien“. Die demokratischen Rechte der Bürger dürften nicht weiter eingeschränkt werden, sie sollten selbstbestimmte Individuen sein. Hingegen solle man ein neues NPD-Verbotsverfahren wagen. Demokratie erfordere zudem wahre Gleichberechtigung. In der Frauen- und Familienpolitik müsse man weg von der „Hausfrauenehe“. Dazu gehöre das Ehegattensplitting abgeschafft und mehr Geld in die Kinderbetreuung gesteckt.
Schließlich unterzeichneten alle Politiker einen Kontrakt, in dem sie sich auf einen fairen und ehrlichen Wahlkampf verpflichteten und bekamen zum Dank jeweils ein Paket des neuen BDKJ-Bistumskaffees aus dem Fairen Handel!