Schule für die Persönlichkeit

Auch wenn Corona für die Freiwilligen im Erzbistum einiges auf den Kopf gestellt hat, konnten sie charakterlich wachsen
Freitagmorgen hat Martina Kuschbert Telefondienst. „Natürlich habe ich noch einen Platz für Sie“, antwortet sie einer Anruferin. Dann trägt sie deren Namen und Telefonnummer in die Liste für den Sonntagsgottesdienst. Seit September macht Martina Kuschbert ein freiwilliges soziales Jahr in der Pfarrgemeinde St. Augustin Coburg. In den vergangenen Wochen hat sich ihre Arbeit radikal verändert.
In den ersten Monaten gestaltete sie die Familiengottesdienste mit, hatte eine Kommunionvorbereitungsgruppe, half in der Ministranten- und Jugendarbeit oder bei der Firmvorbereitung. „Dabei hat mir natürlich geholfen, dass ich schon vor dem FSJ ehrenamtlich in der Pfarrei aktiv war“, sagt die 18-Jährige. „Ich kannte die Kolleginnen und Kollegen und auch die Strukturen.“
Jetzt steht sie sonntags auch an der Kirchenpforte, begrüßt die Gottesdienstbesucher und weißt ihnen ihren Platz zu. Bisweilen muss sie manche auch an die neuen Hygiene-Regeln erinnern. „Dass ich als Ordner arbeite, hätte ich vor dem FSJ nicht gedacht“, sagt sie. „Ich bin in dieser Zeit viel offener geworden und traue mir selbst auch mehr zu.“
Eine Entwicklung die Carina Greiner, Referentin für das FSJ im Jugendamt der Erzdiözese, oft beobachtet. Für ein Jahr in einem sozialen Beruf zu arbeiten, eröffne ganz neue Perspektiven auf die Welt. „Das schult natürlich die Persönlichkeit“, sagt Greiner. „Aber auch für den Zusammenhalt in der Gesellschaft ist es ungemein wichtig, dass wir auch in der Lage sind, den Blickwinkel unseres Gegenüber einzunehmen.“
Zusammen mit ihrer Kollegin Theresa Straub, Referentin für den Bundesfreiwilligendienst, betreut Greiner in diesem Jahr gut 50 Freiwillige, die zwischen 16 und 25 Jahre alt sind und ein FSJ oder den Bundesfreiwilligendienst (BFD) in Trägerschaft des Jugendamtes der Erzdiözese, der Caritas e.V. und des BDKJ machen. Bezahlt werden sie jeweils von ihrer Einsatzstelle. Neben einem Taschengeld bekommen sie Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung und sind sozialversichert. Zu dem Freiwilligenjahr gehört neben der Arbeit an der jeweiligen Einsatzstelle auch ein pädagogisches Rahmenprogramm. Ende Februar haben sich die Jugendlichen in Obertrubach getroffen. Dabei konnten sie zwischen zwei Themen wählen, mit denen sie sich dann eine Woche lang intensiv beschäftigten. Daneben sind die Seminare auch eine Möglichkeit sich mit anderen Freiwilligen auszutauschen. Fast immer entstehen dabei auch langjährige Freundschaften.
Mitte März hat Corona auch den Freiwilligendienst ordentlich durcheinandergewirbelt. Manche Freiwillige hat von heute auf morgen nichts mehr zu tun, etwa, wenn sie in Schulen oder Bildungshäusern arbeiten, bei anderen war plötzlich viel mehr zu tun – etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen.
Auch das erlebnispädagogische Seminar Anfang Mai musste in der geplanten Form ausfallen. Die Referentinnen entwickelten auf die Schnelle ein Remote-Seminar mit Videokonferenzen und speziellen Aufgaben. „Es würde ja nicht zur Erlebnispädagogik passen, wenn die Jugendlichen dann sechs Stunden vor dem Laptop sitzen“, sagt Straub. Bei einem Waldspaziergang konnten die Freiwilligen etwa die Natur mit allen Sinnen erleben, in einem anderen Projekt sollte jeder eine persönliche Grenze überschreiten. Eine backte eine mehrstöckige Sahnetorte, ein anderer rief weltfremde Leute an und fragte sie, wie es ihnen denn gehe.
Auch für Martina Kuschbert stellte der Virus von einem auf den anderen Tag alles auf den Kopf. Anfangs dachte sie noch, dass vielleicht mal zwei, drei Sonntage der Gottesdienst ausfallen würde, dann half sie dabei Video-Impulse für die Kar- und Ostertage zu produzieren. Jetzt gehen die Gottesdienste langsam wieder los, mit ihr als Ordnerin.