Skandalöse Jugend

CAJ macht mit Plakataktion auf Probleme der Jugend aufmerksam
Bamberg – „Skandal“ – rot leuchtet der Schriftzug in der Dämmerung. Einige Passanten wenden sich kopfschüttelnd ab, als sie sehen, wie die Jugendlichen Plakate an Parkuhren, Laternenmasten und Mülleimer kleben. Sie scheinen fast peinlich berührt. „Wegsehen, das machen heute viel zu viele Menschen“, meint Daniela Eidloth von der Christlichen Arbeiterjugend Bamberg (CAJ). „Mit unserer ,Skandalaktion‘ wollen wir etwas anstoßen und die Öffentlichkeit unterschwellig auf die Schwierigkeiten für Jugendliche in unserer Gesellschaft aufmerksam machen.“ Deshalb zogen am späten Samstag Abend 15 CAJler durch die Straßen Bambergs, klebten Plakate, verteilten Flyer und sprühten ihre Parolen mit Sprühkreide auf die Gehsteige der Innenstadt.
„Jugendarbeitslosigkeit“, „Hauptschule“ und „Prekäres Leben in Deutschland“ lauten die Themen des kirchlichen Jugendverbandes an diesem Abend. Auf den Handzetteln und Plakaten: Fakten, Zahlen, Berichte und Zitate zu den „skandalösen“ Zuständen in Deutschland. So heißt es Beispielsweise von einem Hauptschullehrer: „Wie sollen meine Schüler Selbstbewusstsein entwickeln, wenn es nach außen so aussieht, als ob die Hauptschule das Schlimmste sei, was einem passieren kann? Die glauben doch ohnehin schon Versager zu sein.“ Nicht alle sehen weg. Der Großteil der Passanten kommt interessiert näher, bleibt stehen, spricht die fleißig plakatierenden Jugendlichen an. „Eigentlich habt ihr ja recht“, meint etwa eine junge Frau, während sie an der Haltestelle auf den Bus wartet und sich eines der drei Plakate durchliest. „Aber wäre es nicht besser, ihr würdet auch einmal Hauptschüler vorstellen, die es geschafft haben und nicht immer das Negative betonen?“ Sie sei selber Mutter eines Hauptschülers und spüre den Druck und die Angst, die auf ihm laste. Die CAJ sehe nicht nur das Negative, der Verband setze sich mit Berufsorientierungs- und –Qualifizierungsangeboten besonders für Hauptschüler ein, erklärt Franziska Fuchs von der CAJ-Frensdorf. „Aber wo es nun einmal Missstände gibt, darf man sie nicht verschweigen“, meint sie.
Missstände sieht die CAJ auch auf dem Ausbildungsmarkt. So fehlten derzeit 85.836 Ausbildungsstellen, Tendenz steigend. Schon heute seien 900.000 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren auf Hartz IV angewiesen, lauten die Angaben des CAJ-Bundesverbands und des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zahlen, die etliche Passanten nachdenklich stimmen. Genau wie die Statistiken zum Prekariat in Deutschland, jener neuen von Armut gefährdeten Schicht, der aktuell rund 11 Millionen Menschen angehören. Unsicherheit kennzeichnet ihre Lebenssituation, wie jener 730.000 Leih- und Zeitarbeiter die jeden Tag aufs neue um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten müssen. Oder die fünf Millionen Niedriglöhner, die jeden Monat hoffen, dass ihnen keine unvorhergesehenen Rechnungen ins Haus flattern. „Niedriglohn - nein danke“ sprüht die CAJ mit gelber Kreide auf’s Pflaster am Heumarkt. „Endlich spricht das einmal jemand an“, sagt ein Jugendlicher zustimmend. Er arbeitet selbst als Zeitarbeiter und erzählt den CAJlern von seinen Ängsten. „Macht weiter so!“, ruft er ihnen im Weitergehen zu.
Die Jugendlichen der CAJ machen weiter, die ganze Nacht.