„Wer mitbestimmen will, muss mit anpacken!“

international YouthHearing

Bamberg/Madrid. Einen inhaltlichen Akzent abseits des Papstrummels auf dem Weltjugendtag haben der BDKJ Diözesanverband Bamberg und missio München mit dem „international YouthHearing“ in Madrid gesetzt. Grundschulbildung für jedes Kind, subventionierte fair-trade-Produkte – rund 200 Jugendliche aus Deutschland und dem Senegal haben kritisiert, diskutiert und Ideen entwickelt. Ideen, die weiterverfolgt werden, wie Vertreter aus Politik und Kirche versprechen. Ideen, die zum Weltmissionssonntag am 22. Oktober in Bamberg nochmals zusammengefasst und vorgestellt werden sollen.
Der Startschuss zur Diskussion ist noch keine halbe Stunde vergangen, da stapeln sich schon die bunten Pappkärtchen auf der Theke. Vier Farben, vier Themen: „Zukunftschance Bildung“, „Diskutieren und mitbestimmen“, „Lebensraum gestalten“ und „Glauben leben“ – unzählige Fragen, Ideen, Kritikpunkte. „Es kann nicht sein, dass ich mit einem 1er-Abitur keinen Studienplatz für Medizin bekomme!“, schreibt ein Teilnehmer zum Thema Zukunftschance Bildung. Ein anderes Kärtchen bringt ein zentrales Problem im Senegal zum Ausdruck: „Weder kann unsere Wirtschaft Erfolge verzeichnen noch können wir uns weiterbilden, wenn ständig der Strom ausfällt!“ Detlef Pötzl, Jugendpfarrer der Erzdiözese Bamberg, sortiert als „Anwalt der Jugendlichen“ die Anregungen, behält den Überblick.
Auf dem Podium stellten sich Vertreter beider Länder aus Gesellschaft, Kirche und Politik den Fragen der Jugendlichen: Dr. Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg und Vorsitzender der Kommission Weltkirche, Abbé Alphonse Ndong, Leiter der senegalesischen Weltjugendtags-Delegation, Dr. Bernhard Haßlberger, Weihbischof der Erzdiözese München und Freising und Vorsitzender der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, und der Jugendpolitische Sprecher im Bayerischen Landtag, Thorsten Glauber. Auch die Veranstalter und Gastgeber hatten Vertreter entsandt: Für missio diskutierte missio-Präsident Pater Eric Englert OSA, für den BDKJ-Diözesanverband Bamberg dessen Vorsitzende Juliana Sitzmann.
Aus allen sieben Diözesen des Senegal sind die Teilnehmer angereist, von Kolda in der südlichen Region Casamance über Tambacounda im Osten bis nach Dakar. Aus Deutschland ist besonders Bayern stark vertreten, mit Jugendlichen aus Bamberg, Augsburg, Eichstätt und Passau. Dirk Tänzler, Vorsitzender des BDKJ hat es sich nicht nehmen lassen, vorbeizuschauen, ebenso Vertreter der BDKJ-Landesverbände.
"Eure Ideen bleiben nicht in diesem Saal!"
Die Krawalle in London und die damit einhergehende Gewalt zeigten einmal mehr, wie wichtig es sei, miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam und friedlich nach Lösungen zu suchen, eröffnet missio-Präsident Pater Eric Englert die Runde. „Das international YouthHearing garantiert euch, dass eure Ideen nicht hier in diesem Saal bleiben. Wir werden sie nach außen tragen.“ Das Mikrofon kreist. Die bayerischen Jugendlichen nehmen die Chance wahr, machen ihrem Ärger über die gekürzten finanziellen Mittel für Jugendarbeit Luft. Die Senegalesen nicken. Sie kennen das Problem fehlender Gelder – und fehlender Strukturen. „Wir wollen diskutieren“, ruft Joseph (29). „Wir wollen mitbestimmen, aber im Senegal fehlt das Gerüst dafür.“ Mitbestimmung und Demokratie sind ein großes Thema. Ein weiteres: Bildung. Die Deutschen klagen über überhastete Bildungsreformen, überlaufene Unis und Bildungsungerechtigkeiten, die berufliche Perspektiven verbauen. Der Senegalese Abdullah greift ein zentrales Problem im Bereich der Bildung in seinem Heimatland an: Selbst wenn es in Zahlen gemessen mehr Schulen gebe, gelinge es dem Staat nicht, junge Menschen in Lohn und Brot zu bringen, den Lebensstandard der Menschen zu verbessern.
Für Erzbischof Ludwig Schick ein klarer Appell: „Kirche muss die Politik hier stärker in die Pflicht nehmen.“ Er wirft dem Bundesentwicklungsministerium vor, sich zu wenig für die UN-Milleniumsziele einzusetzen. Von der Verpflichtung, bis 2015 den Hunger in der Welt zu halbieren, sei man weit entfernt. Gleiches gelte für das Recht aller Kinder, eine Grundschule zu besuchen und abzuschließen. Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz fordert die Jugendlichen auf, selbst aktiv zu werden: „Wer mitbestimmen will, muss auch mit anpacken!“ Nur wer selbst erfahre, was die Menschen rund um die Welt bedrücke, z.B. in entwicklungspolitischen Programmen, im Bundesfreiwilligendienst oder während eines Freiwilligen Sozialen Jahres, könne mitreden.
Wie Abbé Alphonse Ndong, Leiter der senegalesischen Weltjugendtags-Delegation. Er berichtet aus dem Alltag der Menschen im Senegal. Medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet, viele Kinder sterben. Die Menschen produzieren zu viel Plastikmüll, der nicht entsorgt werden kann. „Das ist doch in Deutschland das gleiche Problem“, wirft die 19-jährige Tini ein. „Müssen wir denn jeden Apfel einzeln einpacken?“ Julia schlägt vor, fair-trade-Produkte staatlich zu subventionieren, damit sich auch junge Menschen ohne Geld diese Waren leisten können.
Als Vertreter der Politik interessiert sich Thorsten Glauber für den Glauben der Jugendlichen – gerade außerhalb des Weltjugendtags: „Ihr seid hierher nach Madrid gereist, ihr lebt euren Glauben. Aber wie sieht es eigentlich draußen in der Fläche aus?“ Er erzählt von seinem Besuch des Eröffnungsgottesdienstes zum Weltjugendtag. Etwas lebhafter hätte er sich diesen gewünscht.
"So werden schwierige Themen lebendig"
Nach gut drei Stunden fällt das Fazit der Teilnehmer positiv aus – im Publikum und auf dem Podium. BDKJ-Diözesanvorsitzende Juliana Sitzmann: „Ich habe mir Austausch versprochen. Dass die Senegalesen viel von uns erfahren und wir von ihnen. Damit bin ich sehr zufrieden.“ Begeistert mischt sich auch Weihbischof Bernhard Haßlberger im Foyer unter die jungen Menschen: „Mit euch werden auch vermeintlich schwierige und sperrige Themen lebendig. Danke dafür!“ Nicht alle der zahlreichen bunten Kärtchen konnten besprochen werden. Sie sollen mit den Diskussionsergebnissen in einem Visionenkatalog zusammengefasst werden. Tini aus Bamberg wirft einen Blick in die Zukunft. „Ich hoffe wirklich, dass wir mit den Ergebnissen etwas bewirken können“, sagt sie. Der Jugendpolitische Sprecher im Bayerischen Landtag, Thorsten Glauber, verspricht, den Visionenkatalog aus dem international YouthHearing gemeinsam mit missio-Präsident Pater Eric Englert an den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und an Landtagspräsidentin Barbara Stamm zu übergeben. „Wir werden im Nachgang um ein Gespräch bitten, um das weiterzuverfolgen, was von Madrid aus nach München ging.“
Der Visionenkatalog soll auch zum Weltmissionssonntag am 22. und 23. Oktober in Bamberg vorgestellt und diskutiert werden.
