Zuhören auf Augenhöhe

Diözesanjugendpfarrer Norbert Förster besucht Jugendliche mit Behinderung in einem Wohnheim in Lichtenfels

Herr Förster, Sie haben Jugendliche mit Behinderung in Lichtenfels besucht. Was war dafür der Anlass?
Einen konkreten Anlass gab es nicht. Bei der Jugendsynode vergangen Herbst in Rom hat sich aber eins klar gezeigt: Die Jugendlichen erwarten sich von uns als Kirche, dass wir ihnen mehr zuhören. Da kann ich mich natürlich in mein Büro setzen und warten, dass mich jemand anruft, oder ich gehe eben zu den Jugendlichen hin und mache ihnen das Angebot zuzuhören.
Warum dann ausgerechnet im Heilpädagogischen Zentrum der Caritas?
Warum denn nicht? Wenn wir nur denen zuhören, bei denen alles gut ist, wird die Welt bestimmt nicht besser. Mich interessiert auch, was diejenigen denken, denen in unserer Gesellschaft in der Regel eher weniger zugehört wird.
Und was haben ihnen die Jugendlichen erzählt?
Erst mal beschäftigen sie genau die gleichen Fragen, die uns auch beschäftigten. Ich habe etwa mit einer 14-Jährigen gesprochen, die keine Eltern mehr hat, ein Elternteil sogar nie kennengelernt hat. Da sind die Wut und die Verzweiflung, die jeder von uns kennt, der schon mal einen lieben Menschen verloren hat. Ich habe versucht durch die Botschaft von Ostern, von der Auferstehung Jesu, ihr etwas Trost zu spenden. Ein anderes Mädchen fürchtet sich vor einer anstehenden Operation. Ich habe ihr versprochen, an dem Tag für sie zu beten und sie gesegnet, damit sie Hoffnung und Kraft schöpfen kann. Vielleicht konnte ich auch Ihr die Angst etwas nehmen.
Machen sie sich denn auch Sorgen um die Zukunft?
Sorgen ist vielleicht ein zu starkes Wort. Ich hatte das Gefühl, dass die Jugendlichen in dem Caritas-Wohnheim ein unglaubliches Vertrauen in Gott haben, dass schon alles gut gehen wird. Aber wie alle Jugendliche haben sie natürlich auch Träume. Ein Junge etwa will unbedingt Busfahrer werden. Es ist ein richtiges Ziel, auf das er hinarbeitet. Aber er weiß auch, dass die Chancen ziemlich schlecht stehen, dass ihm das wirklich gelingt. Wahrscheinlich ist es in etwa so realistisch wie der Traum anderer Jugendliche mal Fußballstar oder Modell zu werden.
Da sieht man die Unterschiede. Was ist Ihnen denn noch aufgefallen?
Naja, die Verhältnisse sind schon etwas beengt. Viele Jugendlichen schlafen in Doppelzimmern in Stockbetten. Aber gerade in dem Alter braucht man doch auch mal einen Ort, an den man sich allein zurückziehen kann. Ich fände es wichtig, das Gebäude so zu sanieren, dass allen Jugendlichen Einzelzimmer angeboten werden können. Das ist sicher schwierig, zum einen wegen der örtlichen Gegebenheiten, zum anderen wegen der Finanzierung. Das schafft ja kein Träger allein. An Menschen mit Behinderung darf auch die Politik nicht sparen.
Und außer den Zimmern, was stört die Jugendlichen noch?
Das, was alles Anderen auch nervt: schlechtes W-Lan. Aber die Caritas arbeitet daran, den Jugendlichen einen vernünftigen Internet-Zugang bereitzustellen. Aber da gibt es natürlich auch wieder zahlreiche Bestimmung, die so etwa deutlich komplizierter machen als in einem Privathaushalt. Und die technischen Probleme, die alle von zu Hause kennen, kommen dann noch oben drauf.
