„Nachtschatten“ über das brisante Thema „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“
Letzte Aufführung im ETA-Hoffmann Theater Bamberg
Mit viel Feingefühl bringen Regisseurin Jutta Hamprecht-Göppner (Text) und Tobias Wenkemann (Musik) in ihrem Stück „Nachtschatten“ das brisante Thema „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ in die Öffentlichkeit. Aufwändige Bühnenbilder sind nicht notwendig: Die ausdrucksstarken 18- bis 25-jährigen Studenten vermitteln ihre Botschaften auch ohne raffinierte Kulissen und bis ins Detail geplante Requisiten. Von der ersten Minute an schaffen es die Studenten, alleine durch ihr schauspielerisches Können und ihren ausdrucksstarken Gesang die Zuschauer emotional zu fesseln und sie für das brisante Thema zu sensibilisieren.
Das Musical macht deutlich, dass es nicht immer das „Monster“ auf der Straße ist, das hinter der Ecke lauert und sich an Kindern vergreift. Nein, die Gefahr liegt viel näher: Meist finden sexuelle Gewalttaten im direkten familiären Umfeld oder im Bekanntenkreis statt.
In der Darbietung ist es der beste Freund des Vaters, Georg, der sich an der 14-jährigen Emma vergreift. Seine sexuellen Übergriffe kommen schleichend. Die anerkennenden Worte Emmas „Georg, du weißt doch, dass du nach Papa gleich mein zweiter Held bist“ nimmt dieser zum Anlass, ihr auf den Po zu klatschen: „Na, Gott sei Dank, sonst muss ich dir gleich den Hintern versohlen.“ In einer späteren Szene wird es dunkel. Ein Bett wird auf die Bühne geschoben. Während Emma auf der Bühne steht, kommt Georg mit seiner Gitarre und summt ein zunächst fröhliches Lied. Doch das Summen wird immer bedrohlicher. Immer aufdringlicher. Immer erdrückender. Dabei umkreist er das verschüchterte Mädchen, das immer kleiner wird und kleiner, bis es schließlich vor ihm am Boden zusammengekauert liegen bleibt. Ohne voyeuristische Elemente gelingt es den Studenten, das Thema „Sexuelle Gewalt“ auf die Bühne zu bringen. Ohne Gewaltszenen schaffen sie es, die mit der Tat einhergehenden Gefühle Emmas so authentisch zu vermitteln, dass dem Zuschauer ein kalter Schauer über den Rücken läuft.
Als Emma endlich den Mut fasst, sich ihren Eltern anzuvertrauen, glauben sie ihr zunächst nicht. Ein gewaltiges Gefühlschaos macht sich in ihr breit: Enttäuschung, Wut, Selbstzweifel, Scham und Verzweiflung befallen das Mädchen – und Schuldgefühle: „Er hat gesagt, es liegt an mir, weil ich so hübsch bin“. Erst nach und nach gelingt es den Familienmitgliedern, sich dem Problem zu öffnen und miteinander zu reden.
Im Brennpunkt stehen dabei nicht nur die Gefühle der Betroffenen, sondern auch die Empfindungen ihrer Vertrauenspersonen, die das Unfassbare einfach nicht wahr haben wollen. Auch für die 21 Studierenden der Caritas-Fachakademie bedeutet die Konfrontation mit ihren Rollen Arbeit, die über eine „normale“ schauspielerische Anstrengung hinausgeht. So spürt vor allem die Hauptdarstellerin Johanna Leisgang in der Rolle der Emma am eigenen Leib, wie es sich anfühlt, Opfer zu sein: „Die Szene mit der Gitarrenmusik mit Georg, die hat mich stark beeindruckt. Wie er so daherkommt und schaut und summt.“ Und sie verrät: „Bei den Proben hatte ich sogar schon Tränen in den Augen.“
Den angehenden Erzieherinnen und Erziehern ist es wichtig, betroffenen Kindern und Jugendlichen mit dem Musical Mut zu machen. Deshalb wird das Musical noch zwei weitere Male vor rund 240 Schülern in Eggolsheim aufgeführt. „Da man schätzt, dass jedes fünfte bis siebte Mädchen und jeder zehnte bis zwölfte Junge sexualisierte Gewalt erlebt, muss man davon ausgehen, dass ein Teil der Kinder, die das Stück anschauen, betroffen sind“, erklärt Regisseurin und Lehrkraft der Caritas-Fachakademie Jutta Hamprecht-Göppner. „Betroffenen soll das Musical Mut machen, darüber zu reden. Und Vertrauenspersonen, die es erfahren, sollen ermutigt werden, es zu glauben, ernst zu nehmen und zuzuhören. Zu sagen ‚Ich glaube dir’ ist schon ein unheimlich großer Schritt für die Betroffenen.“
Mit „Nachtschatten“ führt die Caritas-Fachakademie für Sozialpädagogik in Bamberg ihre Tradition fort, seit nun mehr sechs Jahren Musicals mit brisanten pädagogischen Inhalten auf die Bühne zu bringen. So war in den vergangenen Jahren „Mobbing an Schulen“ („Heul‘ doch!“, 2004) ebenso Thema wie das „Erste Mal“ („Achterbahn“, 2005) oder Komatrinken („Abgestürzt“, 2007).
Die letzte Vorführung von „Nachtschatten“ findet am 2. März 2011 um 20.00 Uhr an den Schultheatertagen im ETA Hoffmann Theater Bamberg statt.
Tobias Wenkemann
Caritas Fachakademie für Sozialpädagogik Bamberg
Jakobsberg 31, 96049 Bamberg
http://www.fachakademie-bamberg.de